Mehr Frauenpower

Wie entwickelt sich der Bikesport bei den Frauen?

Barbara Linder, Leiterin Velola Bikeshop sowie Leiterin Events und Kurse Velolas, gibt Auskunft über frauenspezifische Aspekte im Bikesport und die gegenwärtige Entwicklung.

Zurzeit, gerade auch während den letzten zwei, drei Jahren, ist ein deutlicher Ansturm der Frauen auf das Biken erkennbar. Früher war die Zunahme von Frauen im Bikesport eher zögerlich. Klar gab es schon immer Frauen in dieser Sportart, aber ein solcher Zuwachs ist eine neuere Entwicklung. Laut Statistik liegt der Anteil von bikenden Frauen im Moment bei rund 26 % Prozent. Also eigentlich schon ein ziemlich hoher Anteil, wenn man bedenkt, dass diese Sportart zu Beginn eine reine Männerdomäne war.

Die Vorstellung, dass die Frau mit den Kindern unten bei der Talstation auf ihren bikenden Partner wartet, ist nicht nur veraltet, sondern generell ein Klischee. Die Frauen drehen selbst ihre Runden, wechseln sich mit ihren Partnern ab, oder die Kinder fahren gleich mit.

Frauen erwarten gerade in Bezug auf Kleidung, Fahrräder und Trails frauenspezifische Dinge. Es gibt Frauen, die ganz farbig sein wollen, es gibt aber auch Frauen, die eher schlicht unterwegs sind, wobei die Kleidung kaum (um erneut mit einem Klischee zu brechen) eine grosse Rolle spielt. Wichtiger ist die Tatsache, dass die Accessoires passen und, ebenfalls entscheidend, dass sie im Idealfall von Frauen hergestellt beziehungsweise entwickelt worden sind. Es gibt immer noch ganz viele Marken, die eine Frauenlinie führen, diese aber von Männern entwickelt und designt werden. Gerade bei den Bikes. Es stimmt zwar, dass Velos eigentlich Unisex sind, aber was tatsächlich passiert ist folgendes: Man(n) baut Fahrräder für kleine Männer und bezeichnet sie als Frauenfahrräder.

Was hier ausser Acht gelassen wird:

Frauen haben einen anderen Körperbau als Männer. Sie gewinnen im Vergleich zu Männern verhältnismäßig mehr Kraft aus dem Unterkörper als aus dem Oberkörper. Der Körperschwerpunkt liegt an einem anderen Ort und der Oberkörper ist in den meisten Fällen kürzer. Die ganze Kraftverteilung ist anders und auch das Gewicht spielt eine Rolle – hier sollte speziell bei leichten Fahrerinnen auf eine fein einstellbare Federung geachtet werden.

Aber: an diesem Punkt wird gearbeitet; es gibt bereits eine Marke, von Giant, die heisst LIV, die machen wirklich frauenspezifische Velos und die werden auch von Frauen entworfen, also nicht nur designt, sondern tatsächlich auch entwickelt. Hier wurden spezifische Erhebungen zum weiblichen Körperbau berücksichtigt, und das Bike dann darauf aufgebaut. Sie werben mit Sätzen wie

«Es bietet eine ausbalancierte Geometrie und eine Fahrwerksabstimmung gemacht für Frauen»

für diese Linie.

Bei anderen Marken dagegen ist es wie gesagt oft so, dass Frauenvelos einfach die Velos für kleinere Männer sind, und die Frauen können dann noch die Farbe auswählen… was natürlich nichts mit einem Frauenvelo zu tun hat. Ich hoffe, dass es hier noch einen Umschwung geben wird, dass noch mehr Marken sich dazu entscheiden, Frauen zu berücksichtigen, gerade bei der Entwicklung und Herstellung solcher Velos.

Gibt es auch Unterschiede in der Benutzung der Bikes?

Definitiv. Frauen, also nicht alle, aber viele, überlegen sich öfter, was passieren könnte, sind vielleicht in manchen Fällen etwas ängstlicher.

Männer, auch hier nicht alle, aber viele, die fahren einfach, oftmals aber sehr unkontrolliert.

Viele Frauen überlegen sich zwei drei Mal, ob sie dieses oder jenes nun wirklich tun sollten oder nicht. Gut zu beobachten ist oftmals der männliche Einfluss. Wenn Frauen mit ihren Partnern fahren, und der Mann dann findet; «du kannst das», oder: «das kannst du doch schon lange…» Man kann dann in etwas hineingezwängt werden, was dazu führt, dass man sich schliesslich gar nicht mehr traut, oder abblockt und sagt, «nein, ich will nicht.»

Ziemlich anders verhält es sich in reinen Frauengruppen:

Wenn eine sieht: ja, die kann das ja! dann getrauen sie sich viel eher auch einen Schritt über die Komfortzone hinaus, auch wenn es erstmals nur ein kleiner ist, und aus den vielen kleinen wird dann ein ganz grosser Schritt; so kann man einander pushen.

Miteinander wachsen, und das finde ich ganz wichtig; eine Frau verhält sich einfach ganz anders unter Frauen, als wenn ein Mann dabei ist. Entweder sind sie gehemmt, oder sie trauen sich nichts zu, oder es löscht ihnen völlig ab.

Ich habe das auch ganz stark gemerkt in den Bike Mech-Kursen für Frauen, die ich seit fünf Jahren anbiete: dort spürt man das, diese ganz andere Atmosphäre, wenn kein Mann dabei ist. Sie getrauen sich, sie packen an, und viele sagen: «weisst du, ich hab das auch schon versucht zu Hause, aber…»

Männer haben einfach keine Geduld, um zu zeigen und zu erklären, oder sie greifen zu früh ein und lassen die Frauen nicht selbst Erfahrungen sammeln im Umgang mit der Mechanik und den Werkzeugen.

Velolas Bikeshop in Thun

Der Shop von Frauen für Frauen im Berner Oberland

Dort bemerke ich recht stark, dass Frauen das wirklich auch wollen, dass es sie interessiert und fasziniert, und es sagen mir auch viele, danach, dass sie das nun eher verstanden haben, weil es eine Frau erzählt hat, die vielleicht eher ein technisches Verständnis hat. Wir erklären das ein bisschen anders, von Frau zu Frau, im Gegensatz zu einem Mann, der unter Umständen schon ein Grundwissen hat, vom Job etc. Und der dann eben fast ein bisschen ungeduldig wird, wenn eine Frau vielleicht gerade nicht verstehen kann, wie etwas funktioniert. Und dort merke ich wirklich sehr stark, dass viele Frauen das sehr schätzen, wenn man ein wenig anders erklärt, ein bisschen in einer Frauensprache.

Auch beim Biken selbst, bei diesen Kursen, die wir anbieten, ist es so, dass wenn wir mit Frauen unterwegs sind, wir versuchen, die Dinge vorzuzeigen, und dann wird versucht, in kleinen Schritten darauf hinzuarbeiten, also eigentlich wird das Ganze einfach anders angegangen, wenn man von Frau zu Frau versucht, Kenntnisse weiterzugeben. Im Gegensatz zum Mann, der eher sagt: «Mach doch einfach!»

Man sieht jetzt viele Frauen Bike-Kurse, die von Männern geleitet werden.

Finde ich völlig ok, aber es ist etwas anderes, als wenn tatsächlich eine Frau die Kursleiterin ist, da sich die Teilnehmerinnen in einem solchen Rahmen mehr getrauen, mehr zutrauen.

Ein Mann hat dann vielleicht eher zu hohe, oder höhere Ansprüche, was dazu führt, dass die Kursteilnehmerin weniger schnell vorwärtskommt als bei einer Frau, bei der es in kleineren Schritten vorwärtsgeht.

Das Bedürfnis ist auf jeden Fall da ist. Ich merke das, weil immer mehr Frauen in den Shop kommen. Und ich merke das auch ganz stark, gerade wenn ich Frauen bediene, dass sie oft sagen, es sei angenehm, von einer Frau bedient zu werden, beispielsweise wenn es darum geht, sein Gewicht anzugeben, damit die Bikes eingestellt werden können. Einer Frau gegenüber sind sie diesbezüglich weniger gehemmt, und man kann noch den Sattel anschauen, Sitzbeinhöcker messen und dergleichen. Ganz klar ist es für eine Frau etwas anderes, wenn das von einer Frau gemacht wird. Als wenn ein Mann hinter dem Tresen steht und dann eher unangenehme Fragen stellt.

Ich hoffe, dass die Frauenbewegung weitergeht, ich finde das ganz wichtig, dass sich die Frauen durchsetzen.